Strategische Ziele der GEOMAR Technologie GmbH (GTG)
Langfristige und visionäre Perspektiven
1. Ausgangslage
Raison d`être und Ziele der GTG ergeben sich aus ihrer Satzung sowie
dem Stiftungsgesetz zu GEOMAR aus 1987 und sind dort jeweils mit wenigen
Worten umrissen. Der Weg dorthin bedarf der Ausgestaltung. Einen Schritt
stellt der Kooperationsvertrag beider Partner dar. Folgende Erläuterung
beschreibt und konkretisiert Platz und Rolle der GTG in der geomarinen
Meeresforschung und meerestechnischen Wirtschaft Deutschlands.
Mit der erfolgreichen Errichtung des grundlagenorientierten Forschungszentrums
GEOMAR gelang eine entscheidende Festigung der deutschen Meeresforschung
auf internationalem Parkett und zwar an vorderster Front. Speziell in Kiel
sind alle maritimen Disziplinen vertreten, Neben der Pflege der
naturwissenschaftlichen Kernbereiche Klimaforschung, Meteorologie, Ozeanographie
und Meeresbiologie, marine Geologie, Geophysik werden hier auch
wirtschaftswissenschaftliche und seerechtliche Fragen bei Erkundung, Nutzung
und dem Schutz der Meere beantwortet.
Allerdings steht diesem konzentrierten Forschungspotential eine nur bescheidene
wirtschaftliche Umsetzung zur Seite. Die maritime Wirtschaft in
Schleswig-Holstein wird, abgesehen von Schiffbau und Hafenwirtschaft, durch
ca. 2-3 Dutzend kleine und mittlere Unternehmen (KMU) dargestellt. Sie ist
durch vergleichsweise kleine Betriebsgrößen mit zumeist nur 10-30
Mitarbeitern gekennzeichnet. Diese Unternehmen aus den Bereichen Produktion,
Handel und Dienstleistung verfügen über z.T. erhebliche Kompetenz
in ihren jeweiligen Spezialgebieten der Meeresforschungstechnik und
Meeresmeßtechnik.
Ihre Rolle allerdings ist i.d.R. auf die eines Zulieferers von Komponenten
geschrumpft. Es gibt derzeit auch keinen industriellen Systemführer.
Eigenkapitalausstattung und Ertragslage sind häufig sehr schlecht.
Der Markt ist ein deutlicher Käufermarkt, auf dem die öffentliche
Nachfrage dominiert, die wiederum durch eine Vielzahl unabhängiger
Ämter und Forschergruppen geprägt ist. Die Wirtschaftsbeziehungen
sind recht heterogen und durch persönliche Kontakte charakterisiert.
Häufig fehlt eine unternehmerische Systemkompetenz. Vorherrschend
sind individuelle Lösungen/ Prototypen, die sich insbesondere durch
die sie tragenden Strukturen nicht zu einer weiteren oder gar globalen
Vermarktung eignen. Dies gilt es zu ändern im Sinne von mehr
Weltmarktfähigkeit.
2. Lösung
Mit der Errichtung des Forschungszentrums GEOMAR wurden neue Wege beschritten:
In dem sog. "GEOMAR Modell" wurde nicht ein konventionelles autarkes
öffentlich-rechtliches Forschungszentrum geschaffen, sondern die
Zusammenarbeit mit der Wirtschaft strukturell angelegt, indem die subakademische
Infrastruktur privatwirtschaftlich abgedeckt wird. D.h., Bau und Wartung
von Geräten, Betrieb der Werkstätten, Einsatz der Geräte auf
Expeditionen, Durchführung der Expeditionslogistik bis hin zur personellen
Besetzung der Labore wurde überall dort in die Hände der eigens
gegründeten GEOMAR Technologie GmbH gelegt, wo dies Kosten- und
Wettbewerbsvorteile verspricht.
Diese GEOMAR Technologie GmbH ist anders als etwa ein kommunaler
Versorgungsbetrieb ein echtes privates Unternehmen, das durch eine Vielzahl
der oben genannten maritim orientierten Unternehmen getragen wird und mit
diesen die GEOMAR Firmengruppe bildet. Damit ergeben sich ein ganze Reihe
von Vorteilen:
Diesen prinzipiellen und konkreten Vorteilen stehen Widerstände entgegen,
die hier knapp erwähnt seien:
Damit sei angedeutet, daß die Implementierung des GEOMAR-Modells keineswegs
als abgeschlossen anzusehen sei, Rückschläge zu verzeichnen sind
und auch künftig damit zu rechnen sein wird. Schwierigkeiten bestehen
sowohl mental als auch formal rechtlich. Stimmt die sichtbar positive Entwicklung
im langwelligen Bereich zuversichtlich, so ist kurzfristig trotz aller
Widrigkeiten der Alltag pragmatisch zu meistern. Beharrlichkeit und
Durchhaltekraft fordert alle Mitarbeiter. Dazu bedarf es eines klaren Leitbildes.
3. Vision
Seit je ist das Militär der entscheidende Technologiemotor gewesen.
Was im 20. Jahrhundert Luft- und Raumfahrt geworden sind, war vordem die
Marine. Kiel ist als Marinestadt groß geworden. Wichtige
hochtechnologische Grundlagen entstanden hier und führten zu wirtschaftlich
nachhaltiger Systemkompetenz. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien
erwähnt:
Es ist offensichtlich kaum gelungen, die in dieser kurzen Aufzählung
erwähnten maritimen Basiskompetenzen im aktuellen globalen Strukturwandel
in eigener Regie zu erhalten. Damit droht der Verlust weiterer qualifizierter
Arbeitsplätze. Mangelnde nationale und europäische Unterstützung
verstärkt den Effekt. Mangelnde Wahrnehmung mag dies erklären:
Jedermann, der auf einer Wiese liegend in den blauen oder gestirnten Himmel
blickt, ist von Luft- und Raumfahrt fasziniert und als Reisender vom praktischen
Nutzen überzeugt. Das Meer wird verbreitet als Bedrückung empfunden
("der blanke Hans"), auf dem man seekrank wird oder gar ertrinkt, politisch
werden Schiffbau und Küste als wirtschaftliche Krisengebiete vermittelt.
Auf unseren "Land"-Karten werden unbekannte "weiße Flecken"
blau eingefärbt. Nur die wenigsten sind sich bewußt, daß
Obschon dabei kaum erwähnt, ist die wirtschaftliche Bedeutung beachtlich.
Es geht um Erkundung und Verständnis, Nutzung und Schutz dieses noch
weithin unbekannten "Sea-Space". Dabei ist der technologische Anspruch
gewaltig und demjenigen des
Weltraums vergleichbar. Das Profil der Meerestechnik sieht sich u.a. folgenden
besonderen Herausforderungen gegenüber:
Wir Menschen stehen am Vorabend des Zeitalters des Wassermanns. Wir müssen
und werden uns des Meeres annehmen. Neue Industrien und Wirtschaftszweige
werden am und für das Meer entstehen. Die Meere werden, wie heute schon
Land und Atmosphäre, vermessen und instrumentiert werden. Das internationale
GOOS-Programm (global ocean observation system) ist erst ein Anfang, es
öffnet neue Märkte. Die maritimen Nationen, allen voran die USA,
Großbritannien, Frankreich und Japan, unternehmen organisatorisch
und finanziell große Anstrengungen.
In Deutschland ist die Meerestechnik kaum von Gewicht (so wie um 1850 die
Elektrotechnik im Vergleich zu Kohle und Stahl). Zur Zeit fehlt ein großer
industriellen Systemführer. Der deutsche Anteil an der off-shore
Fördertechnik ist gering. Deutschland hat vor allem eine
hervorragende Meeresforschung. Wie kann es gelingen, diesen Vorsprung zu
einem wirtschaftlichen Vorteil mit Schaffung qualifizierter Arbeitsplätze
zu nutzen?
Hier kommt das "GEOMAR-Modell" zum Tragen: GEOMAR selber betreibt
Grundlagenforschung. Sicher sind spin-offs aus dem Forschungsgegenstand
selber denkbar. Entscheidend aber ist die besondere Organisationsstruktur
des Forschungszentrum GEOMAR: Die Befriedigung des erforderlichen Technikbedarfes
in Verbindung mit der maritimen Wirtschaft und stärkt die
Systemkompetenz in betrieblicher Hand.
Wegen wirtschaftlicher Anreize wird ein Betrieb eher als eine öffentlich
finanzierte Forschergruppe bemüht sein, von Prototypen und
Einzelstücken zu Stückzahlen oder Kleinserien zu gelangen, und
sei es nur für Komponenten. Dies ist ein erfreulicher Mitnahme-Effekt.
Ziel indes ist ein globales Marketing für deutsche Meerestechnik. Welche
Voraussetzungen bietet die "Küste"? Auch wenn die KMU in ihrem
jeweiligen (kleinen) Spezialgebiet hoch qualifiziert sind, sind sie auf dem
Weltmarkt z.T. kaum präsent. Wettbewerb besteht weniger untereinander
als vielmehr von draußen. Die maritimen KMU finden trotz technologischer
Qualität eher als "Hoflieferant" nationaler Kunden ihre Nische,
sind zu schwach, bzw. versuchen nur vereinzelt, einen internationalen Vertrieb
aufubauen. Hinzu kommt, daß es bei der inländischen Kundschaft
oft "chic" ist, in den USA oder Kanada einzukaufen, als auf der anderen
Straßenseite, wo zu sehen ist, daß mit Wasser gekocht wird.
Im GEOMAR-Modell begünstigen sich folgende Faktoren:
Das ist die Grundlage, "GEOMAR Technologie" als Synonym und Markenzeichen
für deutsche Meerestechnik zu implementieren und einen gemeinsamen
internationalen Vertrieb aufzubauen. Anders als bei großen Franchising
Firmen (z.B. McDonalds) ginge hier die Initiative von den Leistungsträgern
aus. Der wirtschaftliche Erfolg wird sich selbst verstärkend
stützen. Die offene Struktur des GEOMAR-Firmenverbundes ermöglicht
weitere Firmenbeitritte. Akzeptanzprobleme, die der Name GEOMAR bei anderen
nationalen Einrichtungen auslösen mag, spielen im globalen Rahmen keine
Rolle. Der Name GEOMAR hat in allen Sprachen einen guten Klang.
Positive Rückwirkungen auf die Beschäftigungslage sind zu erwarten.
Das Vertrauen in die Expertise der mit den Betrieben verbundenen
Forschungseinrichtungen, denen und deren Mitarbeitern zusätzliche
Finanzquellen erschlossen werden, rechtfertigt ein offensives, auch komplexe
Aufgabenstellungen anpackendes Marketing.
Das Fernziel ist eine meerestechnische Wirtschaft, die keiner Fragestellung
aus dem Wege geht und deren Technologie Standards setzt. Dann sollte ihre
Ertragskraft und ihr Steueraufkommen hinreichen, die deutsche Meeresforschung
selbsttragend zu finanzieren und vielen Menschen eine Lebensgrundlage zu
bieten.
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von Dr. Gunnar Tietze, Geschäftsführer der GEOMAR Technologie GmbH
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